Der 15. Mai, ein für Landwirte bekanntes und wichtiges Datum. Der Antrag auf Direktzahlungen muss für das Kalenderjahr gestellt werden; anderenfalls drohen Abzüge oder sogar die vollständige Ablehnung der Agrarbeihilfen. Nicht selten informiert das zuständige Landwirtschaftsamt den Antragsteller, dass die beantragten „beihilfenfähigen Flächen“ zum Teil oder vollständig auch Gegenstand des Antrags eines anderen Landwirtes sind.
Die Landwirtschaftsämter hören dann die Beteiligten an und soweit keiner der Antragsteller eine Korrektur vornimmt, wird in den meisten Fällen die Direktzahlung für die „doppelt“ beantragten Flächen nicht gewährt. Hiergegen können sich die Landwirte mit dem Widerspruch und/ oder der Klage vor den Verwaltungsgerichten zur Wehr setzen.
Zivilgericht (Landwirtschaftsgericht) entschied über Pachtvertrag
Das Bundesverwaltungsgericht hat sich am 05.12.2019 (Az. 3 C 22/17) mit einem Sachverhalt über die Betriebsprämie für das Jahr 2006 befassen müssen. Zwei Landwirte aus Sachsen beantragten im Ergebnis ca. 6,5 ha Acker- und Grünlandflächen „doppelt“. Die beantragten 6,5 ha waren Gegenstand eines zum 31.07.2005 gekündigten Landpachtvertrages. Der Alt-Pächter und tatsächliche Bewirtschafter der Fläche stritt sich mit seinem Verpächter, der die Fläche an den Zweitantragsteller „neu“ verpachtete, über die Wirksamkeit der Kündigung. Das Oberlandesgericht Dresden (Zivilgericht – II. Instanz) entschied nach umfangreicher Beweisaufnahme erst im Jahr 2010, dass die Kündigung im Ergebnis wirksam war und der Bewirtschafter (Alt-Pächter) die Fläche im Jahr 2005 hätte herausgeben müssen. Die verspätete Herausgabe (wohl erst 2010) löste zudem einen Schadensersatzanspruch aus.
Aufgrund der Entscheidung des Zivilgerichts gewährte das zuständige Landwirtschaftsamt in Sachsen (Landesamt für Umwelt Landwirtschaft und Geologie – LfULG) dem Alt-Pächter in diesem Umfang die Betriebsprämie nicht und erließ zudem eine Sanktion wegen einer Übererklärung. Im Kern ging es um die Frage, ob dem Alt-Pächter eine rechtliche Befugnis für die Nutzung der landwirtschaftlichen Flächen zustehen muss oder er diese nur tatsächlich bewirtschaften muss.
Bewirtschaftung ist maßgeblich
Die Richter führten im Termin zur mündlichen Verhandlung aus, dass nach der im Jahr 2006 geltenden VO 1782/2003, das Vorliegen einer landwirtschaftlichen Fläche, deren Nutzung für landwirtschaftliche Tätigkeiten sowie die Zugehörigkeit der Fläche zum Betrieb des Betriebsinhabers für den Erhalt der Betriebsprämie neben dem Vorhandensein von Zahlungsansprüchen, notwendig waren.
Die Beihilfe knüpft vorrangig an tatsächliche Umstände – hier: die tatsächliche Bewirtschaftung – an, d. h. die Befugnis zum Bewirtschaften wird letztlich vorausgesetzt wird, da Art und Umfang dieser tatsächlichen Bewirtschaftung das Maß der Förderung bestimmen (so II. Instanz: Sächsisches OVG, Urteil vom 09.03.2017 – 1 A 147/15).
Weder nach den maßgeblichen Rechtsvorschriften der EU sowie der Bundesrepublik noch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Az. C-61/09 und C-684/13) lässt sich entnehmen, dass der Antragsteller zusätzlich ein „rechtlich gesichertes Nutzungsrecht“ (z. B. Pachtvertrag) inne haben muss. Die Revision des Freistaats Sachsen wurde folglich zurückgewiesen.
Die Entscheidung ist zu begrüßen und schafft Rechtssicherheit. Es kann auch nicht Aufgabe der Landwirtschaftsämter sein, die Wirksamkeit von Pacht- oder anderen Nutzungsverträgen zu prüfen, da die Zivilgerichte hierfür zuständig sind. Eine rechtswidrige Nutzung einer Fläche kann zudem Schadensersatzansprüche auslösen, sodass der Bewirtschafter und Betriebsprämienempfänger im Ergebnis auch in Anspruch genommen werden kann.
Aktuelle GAP 2014-2020: VG Berlin fordert Nutzungsrecht
Nach den zurzeit geltenden Regelungen für den Erhalt von Direktzahlungen (VO 1307/2013) sollte dem Grunde nach nichts anderes gelten. Allerdings wird danach vom Betriebsinhaber gefordert, dass ihm die beihilfenfähige Fläche am 15. Mai „zur Verfügung stehen“ muss. Das VG Berlin (Beschl. vom 28.02.2019 – 26 K 274/19 – veröffentlicht in AUR 12/2019, S. 474) meint, die Formulierung „zur Verfügung stehen“ beinhalte einen Begriff mit rechtlichem Inhalt. Das Eigentumsrecht stünde für das umfassende Recht, über eine Sache zu verfügen. Unter Verweis auf Art. 17 Abs. 1 GR-Charta der EU schlussfolgert das VG Berlin: Mit der Formulierung „zur Verfügung stehen“ stelle der EU-Gesetzgeber auf eine zivilrechtlich geregelte Zuordnung und Nutzung ab und fordert insoweit ein „wirksames“ Nutzungsrecht für die beantragten beihilfefähigen Flächen.
Da die vorliegende Frage eine Auslegung einer EU-Verordnung betrifft, hat das VG Berlin das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der EU die Sache zur Vorabentscheidung vorgelegt. Es bleibt abzuwarten, wie die Richter in Luxemburg (EuGH Rechtssache C-216/19) entscheiden.
NEU: In Teil II wird auf die Entscheidung des EuGH vom 17.12.2020 und in Teil III auf die Entscheidung vom 07.04.2022 eingegangen.
Probleme beim Pflugtausch
In meiner Beratungspraxis treten verstärkt Probleme bei Pflugtauschvereinbarungen auf, die oftmals dann auch zu Doppelbeantragungen führen. Häufig werden Pflugtauschvereinbarungen mündlich geschlossen und dem Pflugtauschpartner wird zum Teil die Beendigung des Pachtvertrages der getauschten Fläche nicht mitgeteilt. Hier bedarf es besonderer Aufmerksamkeit, denn auch aus der Nichtbereitstellung von Pflugtauschflächen (Pflugtausch: Segen und Fluch zugleich) können Schadensersatzansprüche resultieren.