Die Einhaltung der Cross-Compliance-Vorschriften (zukünftig „Konditionalität“) im Rahmen der Agrarförderung erfolgt grundsätzlich durch eine Vor-Ort-Kontrolle beim Betriebsinhaber. Auch die verschiedenen Agrarinvestitionsprogramme der Länder sehen die Möglichkeit einer Vor-Ort-Kontrolle zur Überprüfung entsprechenden Zuwendungsvoraussetzungen bzw. Auflagen vor
Das Bundesverwaltungsgericht musste sich nun in seiner Entscheidung vom 07.04.2022 – BVerwG – 3 C 8.21 mit dem Widerruf und einer Rückforderung einer ELER-Forderung, basierend auf dem Vorwurf des Unmöglichmachens einer vor-Ort-Kontrolle, befassen.
Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde
Ein von Eheleuten geführter Landwirtschaftsbetrieb in Mecklenburg-Vorpommern beantragte im Jahr 2008 eine Förderung nach dem Agrarinvestitionsprogramm des Landes für die Errichtung von Stall- und sonstigen Wirtschaftsgebäuden sowie weitere Investitionen mit einer Gesamtfördersumme von ~ 377.000,00 €. Diese wurden im gleichen Jahr auch entsprechend bewilligt und ausgezahlt. Im Rahmen des Bescheides wurde folgende Regelung festgehalten:
„Die zuständigen Behörden der Europäischen Union, des Bundes und des Landes sowie deren Rechnungshöfe haben das Recht die Verwendung der Mittel durch Besichtigung an Ort und Stelle durch Einsichtnahme in die Bücher, Belege und sonstigen Unterlagen zu prüfen oder durch Beauftragte prüfen zu lassen und Auskünfte einzuholen.“
Im Jahr 2012 ging beim Landwirtschaftsamt eine Anzeige wegen des Verdachts der missbräuchlichen Verwendung der Fördermittel ein. Die geförderten Ställe sollen nicht dem landwirtschaftlichen Förderzweck genutzt worden sein.
Besondere Kontrollsituation
Daraufhin führte das Landwirtschaftsamt eine unangemeldete Kontrolle durch. Nach den gerichtlichen Feststellungen war der Betrieb zum Zeitpunkt der Kontrolle von einem Stromausfall betroffen, sodass die Klingel und das Hoftor nicht funktionierten. Als die Kontrolleure gegen ca. 10:50 Uhr eintrafen, wollte der Ehemann gerade das Betriebsgelände verlassen. Die Kontrolleure offenbarten ihr Anliegen, die Ställe zu kontrollieren. Der Ehemann entgegnete, er könne derzeit die Kontrolle nicht ermöglichen, weil er einen wichtigen auswärtigen Termin wahrzunehmen habe. Die Kontrolle könne frühestens am Abend oder dem nächsten Tag stattfinden. Die Kontrolleure wiesen auf diese Reaktion darauf hin, der Umstand, dass die Kontrolle nicht durchgeführt werden könne, werde „Konsequenzen“ haben. Die Kontrolleure brachen den Kontrollversuch ab und fuhren mit dem PKW zurück. Ca. eine halbe Stunde später versuchte der Ehemann die Kontrolleure anzurufen, um mitzuteilen, dass er eine andere Person gefunden habe, die bei der Begehung der Ställe die Kontrolleure begleiten könnte. Die Kontrolleure waren über ihr dienstliches Mobiltelefon nicht zu erreichen, da sie dieses nach einer internen Anweisung nur im Notfall verwenden durften und im Übrigen ausgeschaltet zu lassen hatten, um dessen Akku zu schonen.
Widerruf und Rückforderung
Im Juli des Jahres 2012 widerrief das Landwirtschaftsamt den Zuwendungsbescheid sowie den auf dieser Grundlage ergangenen Fortsetzungsbescheid und forderte die ausgezahlte Förderungssumme in voller Höhe zurück. Der Landwirtschaftsbetrieb klagte zunächst in erster und zweiter Instanz erfolglos. Im Wesentlichen wurde dem Ehemann vorgeworfen, er habe die Vor-Ort-Kontrolle unmöglich gemacht und dies sei sowohl nach den Vorschriften des Landes Mecklenburg-Vorpommern als auch nach den EU-Agrarfördervorschriften zum Zeitpunkt der Bewilligung und der Vor-Ort-Kontrolle rechtswidrig. Ein solcher Verstoß könne zu einer vollständigen Rückforderung führen.
Landwirt gewinnt in III. Instanz
Das Bundesverwaltungsgericht sah im vorliegenden Fall kein Unmöglichmachen einer Vor-Ort-Kontrolle, sodass das Land Mecklenburg-Vorpommern die Rückforderung der bewilligten Agrarförderung nicht verlangen durfte.
Weder das Unionsrecht selbst noch die bundes- bzw. landesspezifischen Vorschriften regeln, welche Voraussetzungen für ein Unmöglichmachen einer Kontrolle erfüllt sein müssen.
Diese Voraussetzungen sind durch die Rechtsprechung, insbesondere die vorgenannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nunmehr herausgearbeitet worden.
Das Bundesverwaltungsgericht betont, dass der vom Förderbescheid begünstigte Betriebsinhaber, Kontrollen an Ort und Stelle zu dulden und zu ermöglichen hat, dies jedoch nicht um jeden Preis gelte, sondern nur soweit ihm dies zumutbar ist und ihm die Kontrolle nicht unverhältnismäßig belastet. Eine unangekündigte Kontrolle ist im Grundsatz jedem Landwirtschaftsbetrieb zumutbar und nicht per se wegen der unterbliebenen Ankündigung, unverhältnismäßig. Insoweit sei es auch im Bereich der Investitionsförderung nach dem ELER unerlässlich, unangekündigte Kontrollen durchzuführen. Nur so könne man die Einhaltung des Förderzwecks effektiv überwachen und die Vertuschung einer zweckwidrigen Verwendung der Fördermittel ausschließen.
Allerdings müssen die Kontrolleure im Falle einer unangekündigten Kontrolle auch damit rechnen, dass sie weder den Betriebsinhaber selbst noch ein Vertreter antreffen. Die Kontrolleure müssen auch damit rechnen, dass eine unangekündigte Kontrolle mit anderen, sachlich gerechtfertigten – nicht bloß vorgeschobenen Terminen – des Betriebsinhabers kollidieren. Dem Betriebsinhaber sind solche Terminkollisionen grundsätzlich nicht vorwerfbar, denn er kann die Kontrolle nicht vorhersehen und hat das selbstverständliche Recht, während der langjährigen Zweckbindungsfrist, andere Termine in seinen Angelegenheiten zu vereinbaren.
Das Bundesverwaltungsgericht stellt klar, dass die Kontrolle an Ort und Stelle durch die Behörde nicht grundsätzlich Vorrang vor den Planungen des Betriebsinhabers hat. Die eigenen Planungen haben aber auch grundsätzlich keinen Vorrang vor der Kontrolle. Vielmehr muss der Betriebsinhaber seine anderweitigen Termine absagen oder verschieben, wenn dies ohne unzumutbare Nachteile für ihn oder für Dritte möglich ist. Soweit es dem Betriebsinhaber nicht möglich ist, die Vor-Ort-Kontrolle selbst wahrzunehmen, muss er versuchen, einen Vertreter zu organisieren. Liegt eine Terminkollision vor, müssen auch die Kontrolleure zur Ermöglichung der Kontrolle beitragen. Insoweit sieht das Bundesverwaltungsgericht eine entsprechende Verständigung zwischen Betriebsinhaber und Kontrolleur, eine Verständigungspflicht.
Diese Verständigungspflicht kann die Kontrolleure auch verpflichten, nach Absprache mit dem Betriebsinhaber oder seinem Vertreter, zunächst am Kontrollort zu warten, bis eine entsprechende Kontrolle gewährleistet werden kann. Die Behördenmitarbeiter dürfen auch nicht von vornherein ausschließen, die Kontrolle noch durchzuführen, nachdem sie den Betrieb verlassen haben. Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls kann es – so das Bundesverwaltungsgericht – aber geboten sein, einem Betriebsinhaber, der sich in einer Terminkollision zunächst gegen die Ermöglichung der Kontrolle entscheidet, die Möglichkeit einzuräumen, seine Entscheidung in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Kontrollversuch zu korrigieren. Ergibt sich eine Terminkollision, so sind allerdings die Anforderungen an den Betriebsinhaber und was die Kontrolleure tun oder lassen müssen, nicht von vornherein festgelegt.
Eine entsprechend zu Unrecht verweigerte Kontrolle, hat gravierende Rechtsfolgen. Denn sie ist ein Grund, die Bewilligung der Fördermittel zu widerrufen und die Förderung vollständig zurückzufordern.
Unter Berücksichtigung dieser allgemeinen Maßstäbe, die das Bundesverwaltungsgericht für eine Vor-Ort-Kontrolle als wesentlich erachtet, hätte die Behörde im vorliegenden Fall folgende Aspekte bei der Prüfung des Widerrufs beachten müssen:
• Der Ehemann befand sich in einer Terminkollision.
• Der Ehemann hätte vor Ort versuchen müssen, eine Vertretung zu organisieren oder den Kontrolleuren mitteilen müssen, dass er dies unmittelbar nach Verlassen des Betriebsgeländes, beabsichtigt.
• Dieses Unterlassen hätte zu einem Unmöglichmachen/ Verhinderung der Kontrolle geführt, wenn er nicht anschließend alles Erforderliche getan hätte, um seinen Fehler angemessen auszugleichen.
• Das erfolglose Bemühen im vorliegenden Fall, ist nicht dem Betriebsinhaber, sondern dem Landwirtschaftsamt zuzurechnen.
Fazit für Landwirte
Die unangekündigte Vor-Ort-Kontrolle sollte stets durch den Betriebsinhaber ermöglicht werden. Soweit eine Terminkollision vorliegt, sollte der andere Termin verschoben werden. Wenn die Terminkollision nicht aufgelöst werden kann, sollte der Betriebsinhaber sicherstellen, dass eine Kontrolle zeitnah durch einen Vertreter oder ihn selbst gewährleistet werden kann. Hierfür hat der Betriebsinhaber alle erforderlichen Maßnahmen unverzüglich zu ergreifen und sollte die Maßnahmen mit den Kontrolleuren abstimmen. Welcher Zeitraum als „zeitnah“ eingestuft werden kann, bleibt stets eine Frage des Einzelfalls. Nach Auffassung des Autors sollte bei einer Bestellung eines Vertreters die Kontrolle innerhalb von einer Stunde gewährleistet werden. Bei einer notwendigen Verschiebung der Kontrolle auf einen späteren Zeitpunkt oder ggf. den Folgetag sollte darauf geachtet werden, dass den Kontrolleuren die Terminkollision genau beschrieben wird und über die Verschiebung ein Protokoll angefertigt wird.
Sollte zwischenzeitlich die Möglichkeit bestehen, dass ein Vertreter die Kontrolle gewährleisten kann, sollte der Betriebsinhaber die Behörde unverzüglich telefonisch informieren und diesen Versuch dokumentieren, z. B. mit nachgereichtem Telefax oder per E-Mail.
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