GAP-2023: Neue Agrarreform und nun?

Erst BREXIT, dann Corona-Pandemie. Die Ursachen für die verzögerte EU-Agrarreform „2021“ lagen jedoch vor allem an unterschiedlichen Interessen der Mitgliedsstaaten.

Im Oktober 2020 haben sich die EU-Agrarminister und das EU-Parlament auf einen Rahmenfahrplan, die sog. Allgemeine Ausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ab dem Jahr 2023 verständigt. Ende Juni 2021 einigten sich nunmehr die Kommission, der Rat und das EU-Parlament in den sog. Trilog-Gesprächen. Am 16.07.2021 wurden auch neue nationale Vorschriften verkündet.

Was heißt das jetzt eigentlich für die Landwirte in Deutschland?

Bis 31.12.2022 bleibt grundsätzlich alles beim Alten, und danach:

  • Leistungen: weniger Basisprämie, dafür mehr Ökoregelungen sowie erweiterte Förderungen für Junglandwirte und Kleinbetriebe, neue Tierprämie
  • neue Begrifflichkeiten
  • Abschaffung von ZA und Sanktionen wegen Verstößen gegen Tierkennzeichnung
  • Veränderungen bei GLÖZ und Zurechnung von Verstößen

Leistungen

Basisprämie

Die Basisprämie wird bis zum Jahr 2026 auf 146 Euro/ha herabgesetzt. Mit der Kürzung werden die neuen Ökoregelungen, Junglandwirtezahlungen und Umverteilung auf die Kleinbetriebe finanziert.

Agrar- und Umweltmaßnahmen

Aus dem nationalen Fördertopf für ländliche Entwicklung sind mindestens 35% für den Bereich Agrarumwelt- oder Tierwohlmaßnahmen zu verwenden.

Umverteilung und Kappung?

In den ersten Verordnungsentwürfen aus Brüssel war eine verbindliche Kappungsgrenze für alle Mitgliedsstaaten vorgesehen. Gerade in den neuen Bundesländern drohte hier ein erheblicher Förderausfall trotz gleichbleibender Kosten und Ertragszahlen.

Die Entscheidung obliegt nun jedem Mitgliedsstaat. Deutschland hat sich dazu entschieden, statt einer Kappung als Obergrenze eine Umverteilung für kleine und mittle Betriebe vorzunehmen. Somit sollen die ersten 60 ha, verteilt in zwei Gruppen (Gruppe 1 bis 40 ha und Gruppe 2 die weiteren 20 ha) besonders gefördert werden (§§ 8ff. GAP-Direktzahlungen-Gesetz).

Junglandwirteförderung für 120 ha

Junglandwirte sollen stärker gefördert werden. Dafür erhalten sie für die ersten 120 ha eine noch festzusetzende, wohl aber höhere Hektarprämie als bisher. Vor der Anpassung galt dies nur für die ersten 90 ha. Die Fördervoraussetzungen orientieren sich im Wesentlichen an den aktuellen Regelungen. Das bedeutet, die Altersgrenze von 40 Jahren muss erfüllt sein. Außerdem muss die Kontrolle über etwaige juristische Personen (GmbH) und Personengesellschaften (GbR, KG, OHG) beim Junglandwirt selbst liegen (§ 12ff GAP-Direktzahlungen-Gesetz). Kontrolle bedeutet, dass wesentliche Betriebsentscheidungen nicht gegen den Junglandwirt entschieden werden dürfen.

**Update v .11.10.2021** Nach dem Referentenentwurf des BMEL zur GAP-Direktzahlungen-Verordnung – GAPDZ – § 9 – werden weitere, alternative Voraussetzungen für die Förderung (z. B. Berufsausbildung/ Studienabschluss oder Mindesttätigkeit in einem Betrieb) dem Junglandwirt auferlegt.

Neu: Tierprämie

Es wird wieder eine (Weide-)Tierprämie eingeführt (§§ 22ff. GAP-Direktzahlungen-Gesetz). Tierhalter sollen für die Haltung von Schafen, Ziegen und Mutterkühe eine jährliche Prämie erhalten. Das Bundeslandwirtschaftsministerium muss durch Rechtsverordnung noch die Ausgestaltung der Fördervoraussetzungen sowie die bundeseinheitliche Förderhöhe (für Schafe & Ziegen sind 30 EUR und für Mutterkühe sind 60 EUR angedacht) festlegen.

**Update v .11.10.2021** Nach dem Referentenentwurf des BMEL zur GAP-Direktzahlungen-Verordnung – GAPDZ soll der Einheitsbetrag im Jahr 2023 für Schafe bei 34,83 EUR und für Mutterkühe zunächst bei 77,93 EUR liegen und bis zum Jahr 2026 bei Schafen auf 32,89 EUR sowie Mutterkühen auf 73,60 EUR absinken.

Neue Begrifflichkeiten 

Eco-Schemes (Öko-Regelungen, z. B. Blühstreifen) sind nicht als Pflichtenkatalog ausgestaltet, sondern auf freiwilliger Basis. Erst auf Antrag erfolgt die Gewährung. Als Teil des Umwelt- und Klimaschutzpakets sollen über das Prinzip „Anreize schaffen, statt Sanktionen auferlegen“ Landwirte zu ökologischerem Handeln bewegt werden. Den Mitgliedstaaten soll zur Ausgestaltung der Förderungen ein größerer Spielraum eingeräumt werden. Allerdings dürfen im Zeitraum 2023–2027 insgesamt 25% der Direktzahlungen ausschließlich für Eco-Schemes verwendet werden.

Mit der Einführung der sog. erweiterten Konditionalität wird ein „neuer“ Begriff geschaffen, der im Prinzip als Einhaltung von Auflagen zur Gewährung der Beihilfen verstanden werden kann. Die bisherigen Greening-Auflagen aus der 1. Säule und die Cross-Compliance-Regelungen (für 1. u. 2. Säule) sollen nunmehr einheitlich unter „Konditionalität“ zusammengefasst werden. Durch das EU-Recht wird vorgegeben, dass die bisher in der „Cross-Compliance“ geltenden Grundanforderungen an die Betriebsführung (GAB) und die Standards für die Erhaltung von Flächen in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand (GLÖZ-Standards) neu geregelt werden.

Daneben soll ab 2023 eine freiwillige und ab 2025 eine verpflichtende sog. soziale Konditionalität eingeführt werden.

Vorteilhafte Entwicklungen

Keine ZA mehr

Deutschland hat im Rahmen der nationalen Gestaltungsmöglichkeiten beschlossen, zukünftig auf die Zahlungsansprüche ( ZA) zu verzichten (§ 4 Abs. 2 GAP-Direktzahlungen-Gesetz). Die Entscheidung ist begrüßenswert, denn der Verwaltungsaufwand und der Nutzen für die Landwirte standen stets in einem groben Missverhältnis.

Tierkennzeichnung – keine Sanktionen nach Konditionalität

Verstöße gegen die Tierkennzeichnung (z. B. An-/ Abmeldungen; Ohrmarkenverluste) werden nicht mehr im Rahmen der Agrarbeihilfen sanktioniert. Sie sind daher „nur“ nach nationalem Fachrecht Ordnungswidrigkeiten.

Einschränkungen bei GLÖZ

Die Anforderungen zur Bewirtschaftung in „gutem landwirtschaftlichem und ökologischen Zustand“ (GLÖZ) werden geändert und verschärft. Entlang von Gewässern soll „in der Regel“ ein 3 m Pufferstreifen angelegt werden, in dem Dünger und Pflanzenschutzmittel nicht angewendet werden dürfen (GLÖZ 4).

Der Anteil von Brachen und Landschaftselementen auf Ackerland (GLÖZ 9) wird auf 4 % erhöht, es sei denn, der Betriebsinhaber nimmt mindestens 4 % der Fläche im Rahmen der neuen Ökoregelungen aus der laufenden Produktion. Deutschland kann aber auch hier noch Anpassungen vornehmen.

Bei den weiteren Mindestanforderungen z. B. die Fruchtfolge (GLÖZ 8) bleibt die genaue Auslegung abzuwarten.

Umbruch von Dauergrünland (bereits ab 2021)

Nach § 6 des bereits geltenden nationalen GAP-Konditionalitäten-Gesetz kann ab dem 01. Januar 2021 entstandenes Dauergrünland ohne Genehmigung umgebrochen werden. Es bedarf nur der Anzeige. Davon ausgenommen bleiben die Umbruchverbote nach anderen Vorschriften z. B. § 78a WHG. Darüber hinaus regelt § 5 GAP-Konditionalitäten-Gesetz auch die Genehmigungspflicht der Behörden für Umbrüche nach einem engen Normenkatalog.

Zurechnung von Verstößen

Nach der GAP 2014-2020 wurde Betriebsinhabern ein Verstoß gegen die Cross-Compliance-Vorschriften durch Arbeitnehmer oder beauftragte Dienstleister nur zugerechnet, wenn ihm bei der Auswahl, Belehrung oder Überwachung ein Verschulden (Vorsatz/ Fahrlässigkeit) zur Last gelegt werden konnte.

Im neuen GAP-Konditionalitäten-Gesetz wurde in § 19 folgende Regelung vom Bundestag verabschiedet:

Der Begünstigte hat einen Verstoß gegen die Verpflichtungen (GAB und GLÖZ-Standards) durch seine Arbeitnehmer im Betrieb und der Personen, derer er sich zur Erfüllung dieser Verpflichtungen bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie einen eigenen Verstoß.

Nach der Gesetzesbegründung der Bundesregierung soll die Exkulpationsmöglichkeit nun ausgeschlossen werden, um die Wirksamkeit der neuen Konditionalität zu stärken.

Durch den bestehenden Fachkräftemangel und Kostendruck bei Maschinenkäufen ist die Beauftragung von Lohnunternehmern notwendig. Die Zurechnung der Verstöße wird zu massiven Regressansprüchen zwischen Landwirten und Dienstleistern führen. Eine Haftung von Arbeitnehmern ist weitaus schwieriger. Nach den von der Rechtsprechung aufgestellten Haftungsregeln wird der Betriebsinhaber wohl in den meisten Fällen keine Schadensregulierung erhalten. Die Regeln lauten:

  • bei Vor­satz: Der Ar­beit­neh­mer haftet voll, d.h. er haf­tet auf Er­satz des ge­sam­ten Scha­dens.
  • bei gro­ber Fahrlässig­keit: Der Ar­beit­neh­mer haftet „in der Re­gel“ voll, d.h. er haf­tet in den meis­ten Fällen auf Er­satz des ge­sam­ten Scha­dens.
  • bei mitt­le­rer Fahrlässig­keit: wird der Scha­den un­ter Berück­sich­ti­gung sämt­li­cher Umstände des Ein­zel­falls zwi­schen Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer auf­ge­teilt.
  • bei leich­tes­ter Fahrlässig­keit haf­tet der Ar­beit­neh­mer gar nicht.

Ausblick

Umverteilung und Junglandwirteförderung sind bereits im Wesentlichen in nationales Recht umgesetzt worden. Der Fördersatz je Hektar ist noch offen. Die weitere Ausgestaltung durch europäische und nationale Rechtsakte bleibt abzuwarten. Der von Vielen erhoffte Bürokratieabbau, durch Wegfall der ZA wird durch neue Auflagen oder „Anreize“ sowie verschärften Sanktionen kompensiert.

Wer hätte am 01.07.1990 gedacht, dass Altkanzler Kohls Aussage sich auf tatsächliche Blütenpracht beziehen würde:

Durch eine gemeinsame Anstrengung wird es uns gelingen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Sachsen und Thüringen bald wieder in blühende Landschaften zu verwandeln.

Lesen Sie zu den Veränderungen der GAP 2023 auch die aktuellen Beiträge vom 05. März 2022 Teil A und Teil B.