In einer Niederlassung der Bodenverwertungs- und -verwaltungsgesellschaft mbH (BVVG) wird der Landwirt mit den Worten „BVVG – Land zum Leben“ begrüßt. Unter diesem Motto sollten Landwirte auch nach den Zielen der Bundesregierung durch die Privatisierungsgrundsätze (PG 2010) unterstützt werden. Der Flächenverkauf hatte die Zielwirkung dauerhaft die Existenzgrundlage der Landwirte zu sichern. Intention und Umsetzung lagen jedoch meilenweit voneinander entfernt. Allein die Frage: Was sind die PG 2010?, blieb über 10 Jahre unbeantwortet. Die Politik hat sich in dieser Zeit versteckt, obwohl Handlungsbedarf bestand.
Im September 2019 verurteilte das Kammergericht Berlin die BVVG zur Zahlung von Schadensersatz. Der frühere BLOG-Beitrag ist nunmehr durch die aktuellen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs überholt.
Der BGH wies in seinen beiden Urteilen vom 23.04.2021 (V ZR 248/19 und V ZR 147/19) die Ansprüche der Landwirte zurück und gab der BVVG bei ihrer Privatisierungspolitik recht. Einzig bei Wucher, also bei einer Abweichung des Kaufpreises um mehr als 90% vom Verkehrswert, hätte den Landwirten ein Rückzahlungsanspruch zu stehen können. Vorliegend betrug die Abweichung „nur“ 74 sowie 30 Prozent, so dass einzig ein Schadensersatzanspruch wegen vorvertraglicher Pflichtverletzung (§§ 280 I, 241 II, 311 II BGB) in Betracht kam.
Was sind die PG 2010
Die Privatisierungsgrundsätze 2010 sind kein Gesetz, sondern ausschließlich interne Verwaltungsvorschriften, die nicht bereits durch ihre Veröffentlichung Außenwirkung und -bindung für die BVVG erlangen. Sie wirken nur im Innenverhältnis zwischen der BVVG und der Bundeanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) als Auftraggeber und dessen Aufsichtsbehörde, dem Bundesfinanzministerium.
Der BGH zeigt den bisherigen Meinungsstand zur vielfach diskutierten Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die PG 2010 auch eine (direkte) Verpflichtung der BVVG gegenüber den Erwerbern haben, auf. Die Antwort ist weder Fisch noch Fleisch, denn die Frage lässt sich, so der BGH, „weder uneingeschränkt bejahen noch uneingeschränkt verneinen. Entscheidend ist vielmehr, wie die BVVG die Privatisierungsgrundsätze im maßgeblichen Zeitpunkt – hier als bei Abschluss des Kaufvertrages – in ständiger Praxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen als Privatisierungsstelle des Bundes [..] aufgrund des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) gebunden ist.“
Kurzum: Wenn die BVVG alle Erwerber gleichbehandelt und keine Wucherpreise (>90% über Marktwert) verlangt, kann sie einen Kaufpreis auch deutlich über dem Verkehrswert verlangen.
Dass die BVVG wohl nur bis zum Jahr 2011 in 27 von bis dato 1619 Verkaufsfällen gemeinsame Gutachten in Auftrag gegeben habe, ist für den BGH sekundär, denn zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschluss der beiden vorliegenden Verfahren (Juli 2011 bzw. Dezember 2012) habe die BVVG keine gemeinsamen Gutachten mehr vergeben. Somit liegt keine Ungleichbehandlung von Erwerbern vor. Nebenbei hegen die Karlsruher Richter auch Zweifel, ob die Formulierung in Ziffer 2.2.3 der PG 2010 „kann ein Gutachten in Auftrag gegeben werden“ als Pflicht verstanden werden musste, denn des Kammergericht Berlin sah hierin eine sog. Ermessensreduktion der BVVG auf Null. Hierzu bedurfte es jedoch keiner Entscheidung, denn wir wissen ja, man kann es „uneingeschränkt bejahen noch uneingeschränkt verneinen. Entscheidend ist vielmehr …“
Verjährung
Im Ergebnis kommt es zwar auf die Verjährung nicht an, wenn der Anspruch an sich nicht gegeben ist. Allerdings hat der BGH auch hier möglicherweise weiteren Betroffenen aufgezeigt, dass die Regelverjährung von 3 Jahren, beginnend spätestens im Jahr des Kaufvertragsschluss, und nicht die 10-jährige Verjährung bei Grundstücksgeschäften von § 196 BGB greift. Folglich wird sich auch kein anderer Erwerbsvorgang aus dem Jahr 2010 oder Anfang 2011 aufrollen lassen.
Fazit
Viele haben auf ein Gerechtigkeitsurteil des höchsten deutschen Zivilgerichts gehofft. Rechtssicherheit bleibt. Die Urteilsbegründung ist vertretbar, wenn auch nicht alle Fragen geklärt werden. Eine Änderung der Privatisierungspolitik wird es nicht geben, schließlich fließt jeder Cent in die Staatskasse. Somit sollten Landwirte auch bei vermeintlichen Pachtanpassungen standhaft bleiben und auch hier dem Verlangen der BVVG nicht ohne Weiteres nachgeben.