Nutzungsvertrag: Windkraft und Photovoltaik

Die eingeläutete Energiewende hat das Ziel eine sichere, wirtschaftliche und umweltverträgliche Energieversorgung zu gewährleisten. Für die Umsetzung, insbesondere die Gewinnung von Strom durch Wind und Sonnenergie, bedarf es einer weiteren Flächennutzung. Neben den sog. Off-Shore-Parks kommt gerade der ländliche Raum dafür infrage.

Projekt- oder auch sog. Bürger-Beteiligungsgesellschaften suchen verstärkt nach geeigneten Flächen, um Windkraftanlagen (WKA/WEA) oder größere Flächen-Photovoltaikanlagen (PVA) zu errichten. Grundstückseigentümer werden dabei mit vielen juristischen Begriffen und Vertragsdokumenten konfrontiert. Häufig soll der Vertrag „erstmal“ oder „zur Sicherheit“ für das Genehmigungsverfahren unterschrieben werden. Eine Anpassung nach Vertragsunterschrift erfolgt jedoch selten. Daher sollten Grundstückseigentümer insbesondere folgende Punkte vor Vertragsunterschrift beachten, wenn sie sich nicht anwaltlich beraten lassen wollen.

Pacht- Miet- oder Nutzungsvertrag mit bestimmter Laufzeit

Die Verträge werden häufig als Pacht-, Miet-, Nutzungs- oder auch Gestattungsverträge bezeichnet. Die Überlassung von Grundstücken zur Nutzung als WKA- oder PVA-Standort ist rechtlich eher als Mietvertrag über Grundstücke einzustufen. Für die Bewertung als Pachtvertrag fehlt es an einer Fruchtziehung aus dem Boden, denn Wind und Sonne produzieren den elektrischen Strom (vgl. OLG Dresden, Beschl. v. 6.4.2021 – 5 U 73/21). Die rechtliche Einordnung ist in der Regel bei der ordentlichen Kündigungsfrist relevant.

Mietverträge, die über längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossenen werden, gelten auf unbestimmte Zeit (§ 550 BGB) mit den Kündigungsfristen von § 580a BGB (vgl. auch OLG Dresden s.o.). Die Verträge werden grundsätzlich schriftlich geschlossen und sehen auch eine Mindestlaufzeit von 20, 25 oder 30 Jahren vor. Zum Teil möchten sich die Anlagenbetreiber auch einseitige Verlängerungsoptionen von 1 x 5 oder 2 x 3 Jahren vorbehalten. Grundsätzlich ist diese Verlängerung zulässig, jedoch hat jede Vertragspartei ein gesetzliches Kündigungsrecht nach 30 Jahren der Nutzungsüberlassung (§§ 544 BGB).

Einige Verträge möchten die Wirksamkeit des Vertrages an die Inbetriebnahme der Anlagen oder die Baubeginnanzeige verknüpfen. Das sollte vermieden werden. Der Vertrag sollte für beide Parteien mit der Unterschrift des letzten Vertragspartners, die nicht länger als einen Monat nach der ersten Unterschrift erfolgen sollte, bindend sein. Die Laufzeit kann dann an die Baubeginnanzeige oder das Inbetriebnahmejahr gebunden sein.

Vertragspartner

Der Grundstückseigentümer schließt den Vertrag mit dem Anlagenbetreiber (Nutzer). Der Anlagenbetreiber wird in der Regel in der Rechtsform einer Personen- oder Kapitalgesellschaft auftreten. Das Projekt wird grundsätzlich durch Banken finanziert. Die Banken möchten umfassende Sicherheiten und Eintrittsrechte für den Fall erhalten, dass der Anlagenbetreiber z. B. die vereinbarten Nutzungsentgelte nicht mehr zahlt und somit eine außerordentliche Kündigung droht. Grundsätzlich sind Eintrittsrechte der Bank oder auch Dritte im Fall der Vertragsübernahme üblich. Die Ausgestaltung dieser Eintrittsrechte und auch ggf. Erklärungs- und Begründungsverpflichtungen der Grundstückseigentümer sind vielschichtig und sollten wohl überdacht werden.

Nutzungsgegenstand

Meist wird nur über die Nutzung des tatsächlichen Standortes einer WKA oder PVA gesprochen. Die vertragliche Gestaltung sollte jedoch auch die temporären Montage-, Kran- und Lagerflächen sowie über die Infrastrukturflächen (Kabeltrassen-, Trafoanlagen) beinhalten. Der Lageplan sollte in der von der Genehmigungsbehörde festgelegten Fassung dem Vertrag als Nachtragsvereinbarung beigefügt werden. Bei Vertragsunterzeichnung ist der vorläufige Lageplan beizufügen.

Wenn der Grundstückseigentümer die für eine WKA oder PVA infrage kommende Grundstücksfläche bereits an einen Landwirt verpachtet hat, muss er oder der Anlagenbetreiber eine einvernehmliche (Teil-)Aufhebung dieses Vertragsverhältnisses erzielen. Häufig übernehmen die Anlagenbetreiber die Verhandlungen mit den Landwirten und gewähren diesen Ausgleichszahlungen für die Beendigung der Verträge oder einer Vertragsanpassung.

Der selbstwirtschaftende Eigentümer sollte insbesondere bei bereitgestelltem Ackerland die Verwendung des dauerhaft zu entfernenden Oberbodens und mögliche Aufwuchsschäden bei der Überlassung der Flächen nach Bestellung und vor der Erne klären. Häufig möchten Anlagenbetreiber mit der Zahlung des jährlichen Nutzungsentgeltes und zusätzlicher Entgelte für die Bereitstellung weitere Zahlungen für Aufwuchsschäden ausschließen. Hier sollte gut verhandelt werden.

Agrarförderung – Vorsicht während der Bauzeit

Während der Errichtung der WKA sollten selbstwirtschaftende Eigentümer die Nutzung der temporären Montage- und Wegeflächen sowie Kran- und sonstigen Stellplätze im Blick haben. Für diese Zeit sind die landwirtschaftlichen Nutzflächen nicht beihilfenfähig. Da der Betriebsinhaber im gesamten Kalenderjahr die Beihilfenfähigkeit seiner Betriebsflächen gewährleisten muss, müssen Landwirte ggf. eine Korrektur der Betriebsfläche bei der Landwirtschaftsbehörde anzeigen. Anderenfalls drohen Sanktionen.

Ähnlich verhält es sich mit Flächen für die Errichtung einer PVA. In der Regel werden diese landwirtschaftliche Nutzflächen vollständig dem Anlagenbetreiber überlassen. Jedoch wird häufig vereinbart, dass der Besitz erst mit einer Vorankündigung von 1-3 Monaten vor Baubeginn an den Anlagenbetreiber übergehen soll und dem Eigentümer bis zu diesem Zeitpunkt die Nutzung verbleibt. Hierbei ist darauf zu achten, dass bei einer Besitzüberlassung vor der Agrar-Antragsstellung (in der Regel der 15. Mai) keine Agrarförderung für die Teilflächen beantragt wird und bei Überlassung nach der Antragstellung, die Nutzungsänderung der Landwirtschaftsbehörde unverzüglich angezeigt wird.

Bei sog. Agri-PV-Anlagen i.S.d. § 12 Abs. 4 Nr. 6 und 5 GAP-Direktzahlungen-Verordnung (GAPDZV) sind die Flächen nach der Errichtung mit bis zu 85% förderfähig. Näheres im Blogbeitrag zu Agri-PV-Anlagen hier.

Nutzungsentgelt 

Der Abschluss eines Nutzungsvertrages für die Errichtung einer WKA oder PVA ist für die meisten Grundstückseigentümer lukrativer als die reine Verpachtung zur landwirtschaftlichen Urproduktion. Die Höhe des jährlich zu zahlenden Nutzungsentgeltes hängt von vielen Faktoren ab. Im Bereich von WKA-Parks wird vermehrt auch eine sog. Vertragspool-Lösung angestrebt. Hierbei können alle Grundstückseigentümer, die sich in dem definierten Windparkgebiet befinden, unabhängig davon, ob auf ihrem Grundstück eine WKA errichtet wird oder das Grundstück für Abstands- und Rotorflächen benötigt wird, in den Genuss eines Entgeltes kommen.

Sowohl bei Poolverträgen als auch bei Einzelverträgen wird in der Regel eine Mindestjahresvergütung ab der Inbetriebnahme vereinbart. Dieses Basis-Entgelt ist unabhängig vom tatsächlichen Ertrag der Anlagenbetreiber. Zusätzlich bieten die meisten Anlagenbetreiber auch Beteiligungen am Stromerlös an. Die Spannbreite der Angebote ist sehr groß und hängt auch von der Anlagengröße und der Bedeutung des Grundstücks für die Realisierung des Gesamtprojekts ab.

Viele Windparkbetreiber bieten zudem auch sog. Warte- oder Bereitstellungs- oder Reservierungsentgelte für den Zeitraum zwischen der Vertragsunterschrift und der tatsächlichen Inbetriebnahme an. Da die Projekte durch die öffentlich-rechtlichen Genehmigungsverfahren 5-10 Jahre in Anspruch nehmen können und die Grundstückseigentümer auch für diesen Zeitraum auf eine vorzeitige Kündigung (oder Rücktritt) verzichten sollen, ist nach Auffassung des Autors ein angemessenes Wartegeld auch in jedem Fall zu zahlen.

Grundbucheintragungen – zeitliche Beschränkung

Ein Vertrag kann, auch wenn die ordentliche Kündigung für die vereinbarte Laufzeit wirksam ausgeschlossen ist, außerordentlich beendet werden. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung kann nicht wirksam ausgeschlossen werden. Daher möchten sich die Anlagenbetreiber und die finanzierenden Banken die Nutzungsmöglichkeit der Flächen durch eine Eintragung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit (§ 1090ff. BGB) im Grundbuch (Abteilung II.) sichern. Eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit wird durch den Eigentümer des zu belastenden Grundstücks für eine andere Person (Berechtigte) im Umfang des für die Ausübung vereinbarten Zwecks gewährt.

Ohne zeitliche Beschränkungen dieses Rechts durch den Nutzungsvertrag oder eine zeitliche Ausübungsbeschränkung in der Bestellung selbst, könnte der Berechtigte die Nutzung unendlich erhalten. Daher sollte stets darauf geachtet werden, dass eine zeitliche Beschränkung vereinbart wird. Auch sollte stets nur dem Anlagenbetreiber selbst und nicht zusätzlich der für das Projekt finanzierenden Bank eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit eingeräumt werden. Um einen möglichen Eintritt der Bank oder eines Dritten abzusichern, verlangen viele Vertragsentwürfe auch die Eintragung einer Vormerkung im Grundbuch. Grundsätzlich ist die Eintragung üblich. Jedoch sollten auch hier die sog. Rangeintragungen anderer Rechte und der Umfang des von der Vormerkung erfassten Rechts geprüft werden.

Sicherheiten für den Grundstückseigentümer

Grundstückseigentümer sollten auf eine Rückbausicherheit im Vertrag bestehen. In Betracht kommen hierfür Bankbürgschaften oder Bargeldhinterlegungen. Im Rahmen der für fast alle Projekte notwendigen öffentlich-rechtlichen Genehmigungsverfahren wird als Sicherheit eine Rückbaubürgschaft eines europäischen Bankinstituts gefordert. Sofern diese Rückbaubürgschaft abgegeben wird, möchte der Anlagenbetreiber keine weiteren Sicherheiten stellen. Für den Fall, dass die Rückbausicherheit nicht im Genehmigungsverfahren erbracht oder nicht in ausreichendem Umfang erbracht werden muss, sollte der Anlagenbetreiber sich vertraglich verpflichten, dem Grundstückseigentümer eine angemessene Rückbausicherheit zu stellen. Die Höhe der Sicherheitsleistung hängt von verschiedenen Faktoren, insbesondere der Anlagengröße ab und kann mittlere sechsstellige Beträge je WKA oder auch größeren PVA erreichen.

Die meisten Verträge sehen eine Freistellung des Eigentümers für Schadensersatzansprüche von Dritten im Zusammenhang mit der Errichtung und dem Betrieb der Anlage vor. Dennoch sollten Grundstückseigentümer darauf achten, dass der Anlagenbetreiber vor der Inbetriebnahme den Nachweis einer Betriebshaftpflichtversicherung für sämtliche infrage kommende Schäden mit ausreichender Deckungssumme führt. Hierbei sollten auch Umweltschäden eingeschlossen werden.

Kündigung – Rücktritt – Widerruf

Einhergehend mit der vereinbarten Laufzeit möchten die Anlagenbetreiber auch eine ordentliche Kündigung oder einen vorzeitigen Rücktritt vom Vertrag ausschließen. In der Regel soll der Grundstückseigentümer auf diese Rechte bis zur öffentlich-rechtlichen Genehmigung, die binnen 3-7 Jahren nach der Vertragsunterschrift erwartet wird, verzichten. In einigen Verträgen wird der Verzicht auch bis zur Errichtung der Anlagen mit einem Zeitraum von bis zu 13 Jahren nach Vertragsunterzeichnung gefordert. Derartige lange Verzichtserklärungen hält der Autor für unangemessen, es sei denn, der Grundstückeigentümer erhält als Ausgleich ein angemessenes Warteentgelt.

In der Regel sollte der Grundstückseigentümer nach spätestens 5 Jahren ein Recht zur Kündigung oder zum Rücktritt gewährt werden, wenn das Projekt nicht genehmigt wurde. Einige Anlagenbetreiber möchten sich eine Verlängerung dieses Zeitraums durch ein zusätzliches Entgelt erkaufen.

Ein gesetzliches Widerrufsrecht besteht seit dem 13.06.2014 für Verbraucher nicht mehr. Nach § 312 BGB ist das Widerrufsrecht nur auf Verbraucherverträge anzuwenden, bei denen sich der Verbraucher zu der Zahlung eines Preises verpflichtet. Der Grundstückseigentümer stellt sein Grundstück für eine WEA oder PVA zu Verfügung. Der Anlagenbetreiber ist grundsätzlich Unternehmer und zahlt dafür die vereinbarte Vergütung (=entgeltliche Leistung). Folglich besteht kein gesetzliches Widerrufsrecht. Vertragliche Widerrufs- oder Rücktrittsrechte können individuell vereinbart werden.

Fazit

Für die Erreichung der Klimaziele müssen mehr WEA und PVA errichtet werden. Grundstückseigentümer und Landwirte sollten die Verträge nicht nur auf die Höhe der Nutzungsentgelte überprüfen.

Sie haben einen Nutzungsvertrag im Entwurf erhalten und möchte eine rechtliche Einschätzung. Gern berate ich Sie bei der Vertragsgestaltung und unterstütze Sie bei den Verhandlungen.

Bleiben Sie auf dem Laufenden beim Thema Nutzungsrechte für Windkraft und Photovoltaik.

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Rechtsanwalt_ Schulz_Hendrik_Leipzig_