Nur einen Spalt zu weit

In der Schweinehaltung ist insbesondere die Ausgestaltung des Stallbodens oft Anlass für Diskussionen. Nicht jede dabei getroffene Anordnung des Veterinäramtes ist auch rechtmäßig.

In der gesellschaftlichen Diskussion schwebt über den tierhaltenden Landwirten das Damoklesschwert „Massentierhaltung“. Neben der aktuellen Diskussion über die Kastration von Ferkeln steht dabei auch die Haltung auf Spaltenböden verstärkt im Fokus. Dabei ist nicht jede Anordnung der Veterinärämter rechtmäßig. Dies zeigt ein Fall aus der Praxis. Ein Agrarbetrieb aus Sachsen mästet seit über 30 Jahren Absatzferkel bis zur Endmast auf Vollmetallgussspaltenböden, die bereits Ende der 80-er Jahre verlegt wurden und auch heute noch eine sehr gute Qualität aufweisen. Das Veterinäramt kontrollierte den QS-zertifizierten Betrieb mindestens einmal im Jahr, konnte zunächst jedoch keine Mängel feststellen.

Anordnung ohne Gesundheitsprobleme

Im Rahmen einer Vor-Ort-Kontrolle im April 2016 bemängelte das Veterinäramt nunmehr, dass sämtliche Gussspaltenböden „nur“ eine Auftrittsbreite von maximal 6 bis 7 cm und circa ein Drittel der vorhandenen Vollspaltenelemente eine Spaltenweite von über 18 bis maximal 20 mm aufwiesen. Gleichzeitig stellte das Veterinäramt jedoch keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen wie insbesondere Klauenprobleme fest. Trotzdem ordnete es an, dass der Betrieb durchgängig sämtliche Spaltenweiten sowie Auftrittsbreiten der Vollspaltenböden gemäß der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (kurz: TierSchNutztV) von maximal 18 mm Spaltenbreite bzw. 8 cm Auftrittsbreite bei Mastschweinen ab 30 kg gewährleisten muss.

Spaltenweite – Was ist zu beachten?

Soweit Spaltenböden verwendet werden, darf die Spaltenweite bei Saugferkeln 11 mm, bei Absatzferkeln 14 mm, bei Zuchtläufern und Mastschweinen 18 mm und bei Jungsauen, Sauen und Ebern höchstens 20 mm aufweisen. Nach dem Wortlaut der Verordnung „muss […] höchstens Spaltenweiten […] aufweisen“ könnte der Schluss gezogen werden, dass Toleranzüberschreitungen nicht erlaubt seien. In der Rechtsprechung sind zu Fragen von Spaltenweiten in der jüngeren Vergangenheit vier Entscheidungen veröffentlicht worden. Dabei muss allerdings zwischen der Haltung auf Vollspaltenböden und Teilspaltenböden differenziert werden. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster hat mit Beschluss vom 27. Mai 2014 (Az. 20 B 1025/13) dargelegt, dass bei Teilspaltenböden Spaltenweiten von maximal 20 mm zulässig sein können, wenn es bisher nicht zu klinisch nachweisbaren Verletzungen bei den Tieren gekommen ist und die hygienischen Bedenken des Landwirtes durch das Veterinäramt nicht widerlegt werden können. Das Verwaltungsgericht Freiburg hat mit Urteil vom 11. November 2014 (Az. 5 K 2046/13) entgegnet, dass die Spaltenweite von 18 mm bei Mastschweinen auch bei Teilspaltenboden rechtlich bindend sei und der Tierhalter dies nicht eigenmächtig erweitern dürfe.

Ausnahmen nur im Einzelfall

Das OVG des Landes Sachsen-Anhalt in Magdeburg hat mit Urteil vom 28. September 2016 (Az. 3 M 169/16) zunächst zwischen Voll- und Teilspaltenhaltung und den damit verbundenen hygienischen Fragen differenziert. Nach Auffassung des dritten Senats kann es bei Teilspaltenboden unter gewissen Umständen, soweit der Landwirt darlegt, dass keine klinisch nachweisbaren Verletzungen der Tiere vorliegen und seine Bedenken hinsichtlich der Stallhygiene nicht ausgeräumt werden, im Einzelfall zu einer Ausnahme von Spaltenweiten über 18 mm bei Mastschweinen und Zuchtläufern kommen. Dem Grunde nach sind aber die von der TierSchNutztV vorgegebenen maximalen Spaltenweiten einzuhalten, da einem Stau von Harn und Kot aufgrund geringerer Spaltenweiten durch zusätzliches Reinigen der Buchten begegnet werden könne. Mit Beschluss vom 21. Februar 2018 bestätigt, das OVG des Landes Sachsen-Anhalt (Az. 3 L 362/17) seine Auffassung aus dem Jahr 2016. Soweit eine Dung-Stroh-Mischung den Durchlass bei einer Spaltenbreite von 18 mm nicht in ausreichendem Maße gewährleiste, müsse der Tierhalter geeignete Maßnahmen ergreifen, die Erweiterung der Spaltenweite über 18 mm bei Mastschweinen sei jedoch nicht zulässig. Das Zwischenfazit lautet daher: Die Spaltenweiten dürfen entsprechend § 22 Abs. 3 Nr. 4 TierSchNutztV nicht überschritten werden. Nur im Einzelfall darf bei einer Haltung auf Teilspaltenboden eine geringe Überschreitung vorliegen, soweit es zu keinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei den Tieren kommt und hygienische Bedenken des Landwirts nicht widerlegt werden können. Dies dürfte aber die Ausnahme sein.

Auftrittsbreite – nur bei Beton 5 bis 8 cm

Gemäß § 22 Abs. 3 Nr. 4 TierSchNutztV muss im Aufenthaltsbereich der Schweine die Auftrittsbreite mindestens der Spaltenweite entsprechen. Nach Nr. 5 muss, soweit Betonspaltenboden verwendet wird, bei Saug- und Absatzferkeln eine Auftrittsbreite von mindestens 5 cm und bei anderen Schweinen eine Auftrittsbreite von mindestens 8 cm vorliegen.

Die Tierschutznutztierhaltungsverordnung differenziert also hier nach Bodenmaterial. Nach Einschätzung des Veterinäramtes im betrachteten Fall war ungeachtet des besonderen Bodenmaterials die Auftrittsbreite von 8 cm bei Mastschweinen maßgeblich. Für den Betrieb bedeutete diese Einschätzung und die ergangene Anordnung eine erhebliche wirtschaftliche Belastung, die dem Grunde nach zur Einstellung der Schweinehaltung geführt hätte. Das Veterinäramt begründete seine Auffassung damit, dass grundsätzlich die Maximalwerte für Spaltenweiten und Auftrittsbreiten die Anatomie, vor allem die Größe der jeweiligen Klauen berücksichtigen und damit die negativen Auswirkungen auf die Klauengesundheit soweit wie möglich reduzieren. Soweit Spalten zu weit sind, werden die Klauen nicht gleichmäßig belastet und können gar zwischen die Spalten rutschen, was zu Verletzungen an den Klauen bis hin zu Abrissen sowie Lahmheit führen kann. Grundsätzlich sollten gesundheitliche Aspekte bei jedem Tierhalter, ungeachtet der gesetzlichen Vorschriften, im Vordergrund stehen.

Gesamtschau der Haltungsbedingungen

Gleichwohl ist die Auffassung des Veterinäramtes weder mit dem Wortlaut von § 22 TierSchNutztV noch mit dem vermeintlichen Zweck „Tierschutz“ vereinbar. Die Auftrittsbreite von fünf beziehungsweise acht Zentimeter bei Betonspalten resultiert aus den Herstellungsvorschriften für Betonspalten, der ursprünglichen DIN 18908 bzw. der heutigen DIN EN 12737 und hat damit seinen Ursprung eher weniger im Tierschutz. Daneben fordert § 22 Abs. 2 Nr. 3 TierSchNutztV, dass Haltungseinrichtungen so beschaffen sein müssen, dass die Schweine nicht mehr als unvermeidbar mit Harn und Kot in Berührung kommen und ihnen ein trockener Liegebereich zur Verfügung steht. Bei einer größeren Auftrittsbreite, zum Beispiel bei Metallgussspaltenböden, bestünde daher die Gefahr, dass dieses Vermeidungsgebot nicht eingehalten werden könne. Darüber hinaus dienen Gussspalten auch einer verbesserten Wärmeableitung, was dem Tierwohl zugutekommt. Im geführten Widerspruchsverfahren schloss sich die Landesdirektion Sachsen als Widerspruchsbehörde der Auffassung des Autors an und hob die Anordnung des Veterinäramtes zur Auftrittsbreite der Spaltenböden auf.

FAZIT

Nicht jede Anordnung des Veterinäramtes ist rechtmäßig. Der Landwirt ist daher aufgerufen, nicht jede Anordnung ohne Einwendungen hinzunehmen, sondern soll vielmehr das rechtlich Mögliche auszuschöpfen und seine Rechte verteidigen

Erstveröffentlichung in Bauernzeitung, Ausgabe 5/2019, S. 46f.