Die landwirtschaftliche Bewirtschaftung in Feldblöcken oder Schlägen orientiert sich meistens an den natürlichen Grenzen (Wegen, Gräben, Hecken oder auch Waldstreifen). Die Befugnis zur Nutzung, sei es als Eigentümer, Pächter oder Pflugtauschpartner, stützt sich jedoch wiederum auf das im Liegenschaftskataster und Grundbuch bezeichnete Flurstück.
Bis zur Aufhebung von § 18 LPG-Gesetz mit Wirkung zum 01.07.1990 stand der LPG in der DDR das umfassende Nutzungsrecht an den von ihren Mitgliedern eingebrachten Flächen zu. Dieses Nutzungsrecht erlaubte es, Gebäude auf fremden Boden zu errichten, Wege und Grenzsteine zu entfernen sowie Parzellen zu großen Schlageinheiten zu arrondieren.
Nach der Wiedervereinigung setzte sich die tatsächliche Nutzung an diesen Strukturen fort. Soweit dem Bewirtschafter jedoch Teil-Flächen durch Kündigung des Pacht- oder Pflugtauschvertrages entzogen werden, entstehen mehr und mehr Rechtsstreitigkeiten. Trotz verschiedener Anstrengungen durch Bodenordnungsverfahren (Landwirtschaftsanpassungsgesetz/ Flurbereinigungsgesetz) wird es auch zukünftig schwierig werden, eine rechtlich gesicherte Bewirtschaftung ohne Einigung der Eigentümer und Bewirtschafter zu erzielen. Dabei stellen sich folgende Probleme aus Sicht des Landwirtes.
Beendigung des Pachtvertrages – Was ist zu beachten?
Viele Pachtverträge werden für eine befristete Dauer abgeschlossen und soweit sie an keinem Mangel der Schriftform leiden, ist diese Laufzeit auch für beide Parteien bindend. Ohne eine im Vertrag enthaltene Verlängerungsklausel endet der Vertrag auch zu dem festgelegten Datum.
Soweit ein Landpachtvertrag mündlich geschlossen wurde oder er nicht die Schriftform von §§ 585a, 126 BGB wahrt, kann er nach § 594a Abs. 1 BGB bis zum 3. Werktag eines Pachtjahres zum Schluss des nächsten Pachtjahres gekündigt werden. Das Pachtjahr wird von den Parteien bestimmt; im Zweifel gilt das Kalenderjahr.
Beispiel: Pachtjahr 01.01. – 31.12.; die am 13.04.2020 erklärte Kündigung, bewirkt eine Beendigung zum 31.12.2022; der 3. Werktag des Pachtjahres 2020 ist bereits überschritten.
Nach Beendigung des Pachtvertrages hat der Pächter die gepachteten Flächen „in dem Zustand zurückzugeben, der einer bis zur Rückgabe fortgesetzten ordnungsmäßigen Bewirtschaftung entspricht“, § 596 Abs. 1 BGB.
Soweit der Pachtvertrag keine Regelungen zur Art und Weise der Rückgabe (z. B. Stoppelsturz oder Pflugbearbeitung) gehört nach überwiegender Auffassung (vgl.
Thüringer Oberlandesgericht, Beschl v. 28.03. 2013 – LwU 475/12) auch die Bestellung zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung. Der Pächter hat dann einen Erstattungsanspruch gegenüber dem Verpächter auf Wertersatz für die noch nicht getrennten Feldfrüchte oder die Bestellungskosten.
Um einem möglichen Streit hierüber vorzubeugen, empfiehlt es sich, klare Regelungen zur Rückgabe im Pachtvertrag aufzunehmen oder sich mit dem Verpächter bei der Beendigung zu einigen.
Häufig besteht auch Streit über das tatsächliche Beendigungsdatum, entweder, weil die Schriftform des Pachtvertrages (meist vom Verpächter) angezweifelt wird oder Unklarheiten über die Berechtigung oder den Zugang der Kündigung bestehen.
Betretungsverbot
Wenn zwischen den Parteien Streit über die Beendigung besteht und der (Alt-)Pächter die Rückgabe verweigert, dann hat der Verpächter oder ein neuer Bewirtschafter nicht das Recht, die Flächen zu betreten oder zu befahren, es sei denn, er hat ein rechtskräftiges Urteil oder die Zustimmung des Alt-Pächters.
Der Alt-Pächter kann seinen tatsächlichen Besitz, mittels einer einstweiligen Verfügung, schützen, wenn der Verpächter oder Dritte ihm den Besitz entziehen oder stören. Soweit die Rückgabe zu Unrecht verweigert wurde, kann der Verpächter jedoch Schadensersatzansprüche grundsätzlich geltend machen, § 597 BGB.
Beendigung des Pflugtauschvertrages – was gilt hier?
Auch hier gilt grundsätzlich das Gleiche.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt. 13.07.2007 – V ZR 189/06) finden die Vorschriften über den Landpachtvertrag gemäß §§ 585 ff. BGB auf Pflugtauschvereinbarungen entsprechende Anwendung.
Pflugtauschvereinbarungen sollten – ungeachtet der Laufzeit – stets schriftlich geschlossen werden, um das Besitzrecht zu dokumentieren. Pflugtauschpartner sollten auch darauf achten, dass ein Tausch der Flächen rechtlich zulässig ist. Soweit die getauschten Flächen gepachtet sind, muss der Verpächter dem Pflugtausch (Nutzungsüberlassung) zustimmen, anderenfalls droht ihm die außerordentliche Kündigung des Landpachtvertrages wegen unzulässiger Nutzungsüberlassung (§§ 589 Abs. 1, 594e Abs. 1 i.V.m. § 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB).
Ferner muss der Pflugtauschpartner auch bei fehlender Zustimmung des Eigentümers zum Pflugtausch die sofortige Herausgabe der Flächen befürchten. Denn ohne die Zustimmung des Verpächters (bzw. Berechtigten) hat der Pflugtauschpartner auch kein Recht zum Besitz der Flächen.
Nutzung ohne Berechtigung – ohne Risiko?
Wenn der Pacht- oder Pflugtauschvertrag endet und die Flächen dennoch nicht herausgegeben werden, können dem Verpächter (Schadensersatz-)Ansprüche zustehen. Das Oberlandesgericht Dresden (Urt. v. 21.02.2020 – Az. 2 U 226/19) hat sich mit einem ähnlichen Fall kürzlich beschäftigen müssen.
Der Kläger ist Eigentümer von ca. 24ha Ackerland, verstreut auf 39 kleinteilige, überwiegend nicht arrondierte Flurstücke, die zudem in verschiedenen Schlägen der Beklagten liegen. Für die Nutzung der meist auch ohne eigene Zuwegung ausgestatteten Flächen begehrt er von der Beklagten eine Nutzungsentschädigung für die Jahre 2012-2014.
Im Zeitraum 2005-2011 vereinbarten die Parteien zunächst einen Pflugtausch, der vom Kläger ordentlich gekündigt wurde. Da eine jeweils einzelne Bewirtschaftung der Flächen für beide Parteien eigentlich unwirtschaftlich und unvernünftig war, bot die Beklagte einen Pacht- und Pflugtauschvertrag sowie einen freiwilligen Landtausch nach §§ 103a ff. FlurbG/ §§ 54ff. LwAnpG an. Der Kläger lehnte jedoch alles ab und wollte nur sein Eigentum bewirtschaften. Er forderte die Beklagte jedoch nicht auf, die Flächen herauszugeben, sondern klagte im Ergebnis auf Nutzungsentschädigung.
Nach Auffassung des Klägers umfassen die Nutzungen auch die von der Beklagten für diese Flächen beantragten Agrarbeihilfen.
Das Oberlandesgericht Dresden hat unter Einbeziehung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt. 24.11.2006 – Lw 1/06; 22.01.2010 – V ZR 170/08) zur Übertragung von Zahlungsansprüchen ausgeurteilt, dass auch die Agrarbeihilfen nur dem Betriebsinhaber gehören. Vorteile, die nicht durch den Gebrauch der Sache gewonnen werden, fallen nicht unter die herauszugebenden Nutzungen.
Daneben legte das Oberlandesgericht ausführlich dar, dass die Beklagte als Nutzerin mit ihren Angeboten zur Pacht-/Pflugtauschlösung bzw. zum freiwilligen Landtausch nicht schuldhaft die Rückgabe der Flächen verweigere.
In den Urteilsgründen heißt es hierzu:
„Die teilweise recht kleinteiligen streifenförmigen Flächen des Klägers liegen zu einem erheblichen Anteil mitten in großen von der Beklagten bewirtschafteten landwirtschaftlichen Flächen und sind nicht mehr durch Grenzsteine kenntlich gemacht. Die Umfahrung dieser kleinen Flächen des Klägers ist bei einer Bewirtschaftung mit großen Maschinen, wenn überhaupt, dann nur unter erheblichem Aufwand möglich. Die Beklagte hatte dem Kläger auch angeboten, die Flächen entsprechend vermessen und kennzeichnen zu lassen oder – was für alle Beteiligten die vernünftigste Lösung wäre – einen Landtausch vorzunehmen. Der Kläger hatte aus der Sicht des Gerichtes tatsächlich die Möglichkeit, die ihm gehörenden Flächen selbst zu bewirtschaften und in der Folge auch selbst hierfür Betriebsprämien zu beantragen. Allein aus der Tatsache, dass die Beklagte die Flächen weiterhin bewirtschaftete, kann nicht geschlossen werden, dass sie eine Bewirtschaftung des Klägers nicht hingenommen und respektiert hätte. Hätte der Kläger, wie es die Beklagte ihm vorgeschlagen hatte, die Flächen vermessen und kennzeichnen lassen, so spricht nichts dafür, dass die Beklagte auch dann die Grundstücke des Klägers – gegebenenfalls unter Zerstörung eventueller Anpflanzungen des Klägers – weiter bewirtschaftet hätte. Sie hat nie das Eigentum des Klägers oder sein Recht zur Bewirtschaftung in Frage gestellt. Vielmehr hat sie angesichts der beschriebenen Grundstückssituation lediglich versucht, eine praktikable Lösung durch Pflugtausch oder Landtausch zu finden. Das war auch ein Gebot der Vernunft, denn ausgehend von der derzeitigen Situation ist eine sinnvolle Bewirtschaftung der Flächen des Klägers durch ihn (und der teilweise die Flächen des Klägers umschließenden Flächen der Beklagten durch diese) nicht möglich. Die Fortsetzung der Bewirtschaftung durch die Beklagte, ohne dass der Kläger tatsächliche Anstalten gemacht hätte, die Flächen selbst zu bewirtschaften oder durch Grenzpunkte abzumarken, kann vor diesem Hintergrund nicht als schuldhafte Verzögerung der Herausgabe durch sie angesehen werden. Eine schuldhafte Verzögerung der Herausgabe (§ 286 BGB) kann der Beklagten mithin nicht vorgeworfen werden. (Hervorhebungen durch den Autor).
Lösung des Problems?
Eine Lösung gibt es in dieser Konstellation nur im Einvernehmen der Parteien. Ein faktisches Vertragsverhältnis gegen den ausdrücklichen Willen des Vertragspartners kennt das deutsche Recht nicht. Das Oberlandesgericht stellt auch hierzu fest, dass eine zwangsweise Teil-Entziehung durch das Privatrecht nicht möglich ist.
Notwegerecht – Was gilt es zu beachten?
Verstärkt kaufen oder pachten Landwirte ins fremde Territorium ein. Die erworbenen/ gekauften Flächen besitzen zum Teil keine eigene Zuwegung. Eine Bewirtschaftung durch Drohnen und Helikopter scheint noch Zukunftsvision.
Um die Flächen betreten oder befahren zu können, bedarf der Käufer oder Pächter ein Recht gegen die angrenzenden Eigentümer bzw. Nutzer. Der Eigentümer des verbindungslosen Grundstücks, nennen wir es Helikoptergrundstück, kann gegen die angrenzenden Eigentümer ein Notwegerecht (§ 917 BGB) einfordern. Dabei muss die Zuwegung auf einer Notlage beruhen. Hinsichtlich dieser Notlage sind nach der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 24.01.2020 – V ZR 155/18) strenge Anforderungen zu stellen. Sie besteht nicht, wenn eine andere Verbindungsmöglichkeit vorhanden ist, die ebenfalls eine ordnungsmäßige Grundstücksbenutzung gewährleistet.
Welche Art der Benutzung eines Grundstücks in diesem Sinne ordnungsmäßig ist, bestimmt sich nicht nach den persönlichen Bedürfnissen des Eigentümers des Helikoptergrundstückes, sondern danach, was nach objektiven Gesichtspunkten zu diesem Grundstück angemessen ist und den wirtschaftlichen Verhältnissen entspricht. Zu berücksichtigen sind dabei die Benutzungsart und Größe des Grundstücks, seine Umgebung und die sonstigen Umstände des Einzelfalls.
Das Notwegerecht kann nicht im Grundbuch eingetragen werden. Es löst jedoch Verkehrssicherungspflichten für den Berechtigen sowie die Zahlung einer Geldrente aus.