Änderungen im Insolvenz- und Zivilrecht wegen der Corona-Pandemie

Der Gesetzgeber hat am heutigen Freitag abschließend Änderungen im Insolvenz-, Zivil- und Strafverfahrensrecht beschlossen.

Folgende wesentliche Änderungen im Insolvenz- und Zivilrecht sind zu beachten:

1. Aussetzung der Insolvenzantragspflicht – Ergänzung zum Beitrag vom 17. März 2020

Bis zum 30. September 2020 soll die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages ausgesetzt werden, es sei denn, die Insolvenz beruht nicht auf den Folgen des Corona-Virus oder wenn keine Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.

Es wird vermutet, dass die Insolvenz durch die Corona-Krise verursacht wurde, wenn der Schuldner am 31. Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig war und Aussichten auf darauf bestehen, die Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.

Gläubiger dürfen einen Insolvenzantrag nur stellen, wenn der Eröffnungsgrund bereits vor dem 01. März 2020 bestand.

Per Rechtsverordnung können diese Fristen bis zum 31.März 2021 im Bedarfsfall verlängert werden.

Begrenzung der Organhaftung bis 30. September 2020

Geschäftsführer und Vorstände sollen während der Krise insbesondere in folgenden drei Fällen nicht von ihrer Gesellschaft haftbar gemacht werden können:

  • Wenn die getätigten Zahlungen zum gewöhnlichen Geschäftsverkehr gehören und
  • zur Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes oder
  • der Umsetzung eines Sanierungskonzeptes dienen.

Damit sind die sonst üblichen Haftungen nach § 64 GmbHG; § 92 AktG; § 130a, § 177a HGB; § 99 GenG befristet ausgesetzt.

Keine Rückzahlung bei Insolvenz

Die Aufnahme eines Kredites zur Überbrückung der finanziellen Engpässe wird in diesem Zeitraum nicht als sittenwidriger Beitrag zur Insolvenzverschleppung gesehen. Wird der Kredit bis zum 30. September 2023 zurückgezahlt, so wird die Rückzahlung des während der Krise gewährten Kredits oder der bestellten Sicherheit nicht als gläubigerbenachteiligend eingestuft.

In dem Fall droht also auch keine Insolvenzanfechtung (§§ 129ff. InsO), d. h. der Darlehensgeber muss nicht befürchten, die Zahlungen im Fall der Insolvenz zurückzahlen zu müssen. Das Gleiche soll auch für die Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen und ähnlichen Zahlungen gelten, jedoch nicht auf die dafür gestellten Sicherheiten.

2. Änderungen im Mietrecht und Pachtrecht

Wenn der Mieter (oder Pächter) im Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 trotz Fälligkeit die Miete (Pacht) nicht zahlt, kann der Vermieter (Verpächter) nicht allein aus diesem Grund außerordentlich kündigen, soweit die Nichtzahlung durch die Corona-Pandemie hervorgerufen wurde.

Der Zusammenhang zwischen der Corona-Pandemie und der Zahlungsverweigerung ist glaubhaft zu machen. Glaubhaftmachung bedeutet, dass der Mieter (Pächter) seine Gründe z. B. durch Zeugniserklärung, Unterlagen von Banken oder Behörden sowie durch eine eigene eidesstattliche Versicherung belegen kann.

Sonstige Kündigungsrechte werden nicht eingeschränkt.

3. Änderungen für Verbraucher- und Kleinstunternehmen

Dauerschuldverhältnisse

Für Verbraucher und Kleinstunternehmen (<10 Arbeitnehmer u. Jahresumsatz bzw. Jahresbilanz < 2 Mio. EUR) gibt es weitere Erleichterungen. Bei sog. wesentlichen Dauerschuldverhältnissen (z. B. Strom-, Gas, Wasser- und Telekommunikationsverträgen), die vor dem 08. März 2020 geschlossen wurden, kann die Zahlung bis zum 30. Juni 2020 ausgesetzt werden. Allerdings nur, wenn aufgrund Corona-Pandemie, die Zahlung eine Gefahr der Aufrechterhaltung des angemessenen Lebensunterhaltes für den Verbraucher oder seiner Angehörigen darstellt.

Für den Kleinstunternehmer besteht die Zahlungsverweigerung, wenn ihm die Zahlung nicht möglich ist oder zu einer Gefährdung seines Betriebes führt.

Die Verweigerung ist ausgeschlossen, wenn sie zu einer vergleichbaren Gefahr beim Vertragspartner (Gläubiger) führt; jedoch kann der Verbraucher bzw. der Kleinstunternehmer kündigen.

Darlehensverträge

Bei vor dem 15. März 2020 abgeschlossenen Verbraucherdarlehensverträgen können Ansprüche des Darlehensgebers, die zwischen dem 1. April 2020 und dem 30. Juni 2020 fällig werden, für die Dauer von drei Monaten gestundet werden.

Voraussetzung ist, das der Verbraucher durch die Corona-Pandemie kein ausreichendes Einkommen zur Verfügung hat, um die Darlehensrückzahlung vornehmen zu können, ohne gleichzeitig seinen angemessenen Lebensunterhalt oder seiner Unterhaltsberechtigten zu gefährden.

Damit einhergehend wird eine Vertragsanpassung nach Ablauf der Stundungsfrist sowie ein Kündigungsschutz während der Stundungsfrist geschaffen.

 Die Bundesregierung kann die vorbenannten Regelungen per Rechtsverordnung auch auf Kleinst-, kleine und mittlere Unternehmen erweitern.

4. Änderungen im Gesellschaftsrecht (Aktiengesellschaft, GmbH, Genossenschaft etc.)

Für das Kalenderjahr 2020 und soweit eine Verlängerung geboten erscheint bis 31. Dezember 2021, gelten folgende Änderungen für Unternehmen, insbesondere bei Haupt-, Gesellschafter- und Generalversammlungen:

Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Europäische Gesellschaften (SE), Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit

Der Vorstand wird ohne Satzungsregelung ermächtigt, die Teilnahme und Stimmenabgabe bei der Hauptversammlung im elektronischen Wege zu ermöglichen.

Ferner kann der Vorstand entscheiden, dass die Hauptversammlung ohne physische Anwesenheit der Aktionäre oder ihrer Bevollmächtigten als virtuelle Hauptversammlung abgehalten wird. Hierfür müssen folgende vier Voraussetzungen vorliegen:

  • Bild- und Tonübertragung der Hauptversammlung,
  • Stimmrechtsausübung über elektronische Kommunikation (Briefwahl oder elektronische Teilnahme) sowie elektronische Vollmachtserteilung,
  • Fragemöglichkeit der Aktionäre durch elektronischen Kommunikation,
  • Widerspruchsmöglichkeit gegen Beschlüsse der Hauptversammlung auch ohne dortige physische Anwesenheit

Daneben wird dem Vorstand ein Ermessensspielraum bei der Beantwortung von Fragen zugebilligt und er kann vorgeben, dass Fragen bis spätestens zwei Tage vor der Hauptversammlung auf elektronischem Weg einzureichen sind.

Daneben gelten vereinfachte Ladungsvorschriften sowie eingeschränkte Anfechtungsregelungen für die Aktionäre.

GmbH

Bei der GmbH können nun abweichend vom bisherigen Einstimmigkeitsprinzip des § 48 Abs. 2 GmbHG) Beschlüsse durch Mehrheitsentscheidung in Textform (Fax; E-Mail) oder durch schriftliche Abgabe in Form eines getrennten oder gemeinsamen Umlaufbeschlusses gefasst werden.

Genossenschaft

Bei der Genossenschaft können Beschlüsse auch ohne Satzungsregelung schriftlich oder elektronisch gefasst werden. Der Vorstand hat sicherzustellen, dass der Beschlussfassung eine Niederschrift der Mitglieder, die am Beschluss mitgewirkt haben, beigefügt ist. Die Art der Stimmenabgabe ist dabei zu dokumentieren.

Die Einberufung der Generalversammlung kann durch Veröffentlichung auf der Internetseite oder per Benachrichtigung in Textform (Fax; E-Mail) erfolgen.

Sitzungen des Vorstands oder des Aufsichtsrats sowie gemeinsame Sitzungen können auch ohne Ermächtigung in der Satzung oder in der Geschäftsordnung im Umlaufverfahren in Textform (Fax; E-Mail) oder als Telefon- oder Videokonferenz durchgeführt werden.

Mitglieder des Vorstandes oder Aufsichtsrates bleiben auch nach Ablauf der Amtszeit bis zur Bestellung eines Nachfolgers im Amt. Die Anzahl der Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats einer Genossenschaft darf weniger als die durch Gesetz oder Satzung bestimmte Mindestzahl betragen.

Der Aufsichtsrat kann, statt der Generalversammlung, den Jahresabschluss feststellen.

 

Stand: 27. März 2020