BVVG: Unwirksame Klausel im EALG-Vertrag und zu hoher Kaufpreis nach PG 2010

Kein Zahlungsanspruch / Rückkaufsrecht bei Errichtung von Windkraftanlagen auf EALG-Flächen

Der Bundesgerichtshof hat am 14. September 2018 (Az: V ZR 12/17) entschieden, dass die in den sog. EALG-Kaufverträgen der BVVG (Bodenverwertungs- und verwaltungsgesellschaft mbH) enthaltene Abschöpfklausel für die Errichtung von Windkraftanlagen durch Windenergieunternehmen unwirksam ist.

Die EALG-Kaufverträge basieren auf dem Ausgleichsleistungsgesetz i.V.m. der Flächenerwerbsverordnung und legten dem erwerbenden Landwirt bestimmte Zweckbindungen auf,  u.a. die landwirtschaftliche Nutzung.

Windkraftanlagen gefährden landwirtschaftliche Nutzung nicht

Der Käufer muss nach diesen Regelungen nicht nur jede Veräußerung, sondern auch die Bestellung von Dienstbarkeiten zugunsten von Betreibern von Windkraftanlagen, anzeigen. Für die BVVG bestand die Pflicht diese Verfügungen ohne Auflagen und Einschränkungen zu genehmigen, wenn sie die Zweckbindungen nicht gefährden. Die „Abschöpfklausel“ im Kaufvertrag, mit der sich die BVVG große Teile von den von Windkraftanlagenbetreibern vergüteten Pachten abschöpfte, lasse sich aber gerade mit keinem der einzuhaltenden Zweckbindungen rechtfertigen und ist folglich unwirksam.

Der BVVG stehe weder ein Wiederankaufsrecht noch ein Zahlungsanspruch aus den Gestattungsverträgen zu. Einzig ein Rücktrittsrecht käme in Betracht. Dieses setze aber nach Ansicht der Richter in Karlsruhe voraus, dass wesentliche Teile der verkauften Flächen nicht mehr für landwirtschaftliche Zwecke, sondern für Zwecke der Windenergieerzeugung verwendet werden.

Da die Stand- und Wegeflächen nur sehr gering in Anspruch genommen werden und die Abstandsflächen überhaupt keinen Einfluss auf die landwirtschaftliche Nutzung haben, sollte der BVVG nur in absoluten Ausnahmefällen ein Rücktrittsrecht zustehen.

Rückzahlungsanspruch des Landwirts

Soweit Landwirte bereits Gestattungsverträge unter Einbeziehung der BVVG abgeschlossen haben und ggf. bereits Zahlungen an die BVVG flossen, sollten sie sich mit fachlichen Beratern in Verbindung setzen, um entsprechende Rückzahlungen zu fordern. Die Erfolgsaussichten werden grundsätzlich als sehr gut eingeschätzt.

Privatisierungsgundsätze 2010 – Verkehrswert ist nicht gleich BVVG-Kaufpreis

Der Bund und die fünf neuen Bundesländer haben nach dem begünstigten  EALG-Flächenverkauf auch die weitere Privatisierung der Treuhandflächen in den sog. Privatisierungsgrundsätzen 2010 (PG 2010) manifestiert.

Sicherung der Existenzgrundlage durch PG 2010

In hervorgehobenen Wort sei die Bundesregierung „sich der ökonomischen und sozialen Bedeutung der Landwirtschaft in den neuen Ländern voll und ganz bewusst [und sie unterstützt mit ihrer Privatisierungspolitik] den berechtigten Wunsch der landwirtschaftlichen Betriebe, sich durch Flächenankäufe die Existenzgrundlage ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit dauerhaft zu sichern„.

Mit den PG 2010 sollte der Flächenverkauf der Treuhandflächen neben dem Verkauf durch Ausschreibungen auch durch Pächterdirektverkäufe erfolgen. Damit sollte den Pächtern innerhalb der Pachtlaufzeit von i.d.R. 4 Jahren ein Erwerbsrecht zum Verkehrsrecht zu stehen.

Die BVVG hat bereits im Rahmen der EALG-Flächenverkäufe die Auffassung vertreten, dass sie ein von ihr eigens entwickeltes Kaufpreisermittlungssystem (VPS-Vergleichspreissystem) vorrangig anwenden müsse, um als staatliche Gesellschaft keine Beihilfen durch „zu billige“ Flächenverkäufe den Landwirten zu gewähren.

Kaufpreisangebot meist deutlich über den ortsüblichen Preisen

Im Zuge von verschiedenen Direkterwerbsvorgängen wurde oftmals deutlich, dass der von der BVVG angebotene Kaufpreis weit über den ortsüblichen Preisen lag. Nach den PG 2010 (Ziff. 2.2.3 b) sollte im Falle fehlender Einigung über den Kaufpreis ein gemeinsames Gutachten im Auftrag der BVVG gegeben werden, dass zur Bestimmung der des Kaufpreises zu verwenden war.

Am 26.4.2013 veröffentlichte das Bundesministerium für Finanzen (Rechtsaufsicht der BVVG) sowie das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (Fachaufsicht) eine Protokollnotiz zur Anpassung der PG 2010. Danach sollten bis auf weiteres keine gemeinsamen Gutachten im Falle fehlender Einigung eingeholt werden. Den Landwirten wurde aber das Recht zu gesprochen, eigene Gutachten in Auftrag zu geben. Die BVVG sollte nachvollziehbare Einwendungen dann beim Kaufpreis berücksichtigen.

BVVG war bei fehlender Einigung zur Einholung eines gemeinsamen Gutachtens verpflichtet

Die Zivilsenate des Kammergerichts Berlin haben mit verschiedenen Verfügungen und Beschlüssen in den Verfahren (20 U 141/16; 23 U 31/16; 23 U 23/16; 23 U 114/13) klar gestellt, dass die BVVG an die Vorschriften der PG 2010 gebunden ist und ihr bei der Art und Weise der Privatisierung kein Ermessen zusteht. Im Fall der fehlenden Einigung mit dem Erwerber über den Kaufpreis musste sie bis zur Änderung der PG 2010 am 26.4.2013 ein Gutachten in Auftrag geben. Die Ablehnung stellte eine (vorvertragliche) Pflichtverletzung dar, die einen Schadensersatzanspruch des zum Kauf berechtigten Landwirtes begründet.

In zwei jüngeren (nicht) rechtskräftigen Entscheidungen des Landgerichts Berlin aus dem April 2018 wird diese Sichtweise bestätigt, wenn auch die juristische Herleitung des Anspruchs auf eine andere Grundlage gestützt wird. Soweit die BVVG vor der Pressemitteilung vom 26.4.2013 keine Sachverständigengutachten mehr in Auftrag gab, hat sie sich willkürlich und somit rechtswidrig verhalten. Der Landwirt hat dann grundsätzlich einen Rückzahlungsanspruch gegen die BVVG in Höhe der Differenz zwischen Verkehrswert und gezahltem Kaufpreis.

Verkehrswert ist nicht ein fiktiver Höchstpreis

Dem Grunde nach folgen die Gerichte bereits der zum EALG ergangenen Grundsatzentscheidungen des Kammergerichts Berlin aus dem Jahr 2010 und des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2011. In diesen Entscheidungen wurde hervorgehoben, dass die BVVG gerade nicht zum Höchstpreis die Flächen verkaufen muss, sondern zum Verkehrswert (Marktwert). Bei der Ermittlung des Verkehrswertes sind nicht nur BVVG-Kaufverträge bzw. Gebote, sondern auch Drittverkäufe heranzuziehen.

Landwirte, die nach den PG 2010 Flächen gekauft haben und bereits im Erwerbsvorgang die BVVG auf den aus ihrer Sicht zu hohen Kaufpreis hingewiesen haben, sollten diesen Direkterwerb durch fachkundige Berater nochmals überprüfen lassen. Nicht in jedem, aber sich in einigen Fällen, entsprach der Kaufpreis nicht dem Verkehrswert.