Neue BGH- und OLG-Urteile 2025
Nutzungs- oder Gestattungsverträge über Grundstücke für Wind- und Solarenergie sind auf eine langfristige Nutzungsmöglichkeit des Betreibers angelegt. Die Planungs- und Umsetzungsphase kann mehrere Jahre dauern – häufig ist bei Vertragsschluss noch unklar, ob ein Projekt tatsächlich umgesetzt wird.
Viele Grundstückseigentümer werden in dieser Zeit von anderen Projektgesellschaften mit besseren Vertragskonditionen angesprochen und möchten aus bestehenden Verträgen aussteigen. Zwei aktuelle Urteile des Bundesgerichtshofs (März 2025) und des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (Mai 2025) haben nun wichtige Praxisfragen zur Kündigung von Nutzungsverträgen für Windenergie und Solarparks beantwortet
Was war streitig?
In älteren Verträgen, die oft vor 2020 geschlossen wurden, begann die Vertragslaufzeit von 20 oder 30 Jahren nicht sofort mit der Unterschrift, sondern erst mit der Inbetriebnahme der Anlage oder dem Baubeginn. Problem: Verzögert sich der Baubeginn oder die Einspeisung, stellt sich die Frage, ob bis dahin eine ordentliche Kündigung möglich ist oder nicht.
Die in den meisten Verträgen auch beiden Parteien gewährten Rücktritts- Kündigungsrechte, z. B. wenn nicht in 5 Jahren ab Unterzeichnung des Vertrages die BImSchG-Genehmigung erteilt wird oder der Baubeginn nicht innerhalb von z. B. 10 Jahren ab Unterzeichnung erfolgte, sind dabei teilweise (noch) nicht anwendbar.
Wann beginnt der Vertrag nun?
Die Gerichte stellen im Kern auf die Vorstellungen der Vertragsparteien ab.
Ist für die Vertragsparteien bereits bei Vertragsabschluss klar, dass die Inbetriebnahme stattfinden wird – nur der genaue Zeitpunkt ist offen –, dann liegt rechtlich eine sogenannte Befristung vor. Das bedeutet: Der Vertrag ist befristet und nicht ordentlich bis zum Laufzeitbeginn kündbar.
Ist dagegen unsicher, ob überhaupt jemals eine WEA gebaut wird, spricht man von einer (aufschiebenden) Bedingung. Dann ist der Vertrag bis zum Eintritt der Bedingung (Inbetriebnahme oder dem Baubeginn) unbefristet und wäre grundsätzlich mit der gesetzlichen Kündigungsfrist (§ 580a BGB) kündbar.
In beiden genannten Urteilen gingen die Gerichte von einer Bedingung aus, weil die Inbetriebnahme der WEA sehr ungewiss war.
Kündigungsausschluss bis zur Inbetriebnahme – auch konkludent möglich
In den streitgegenständlichen Verträgen wurde die ordentliche Kündigung während der Vertragslaufzeit ausgeschlossen. Wenn die Vertragslaufzeit aber durch die aufschiebende Bedingung noch nicht begann, stellte sich die Frage, ob eine Kündigung dennoch ausgeschlossen ist.
Ein solcher Ausschluss kann sich nach der neuen Rechtsprechung auch aus einer konkludenten (stillschweigenden) Vereinbarung ergeben. Bei dieser Einzelfallfrage ist eine Gesamtbetrachtung auch unter Einbeziehung etwaiger weiterer (beiderseitiger) geregelter Rücktrittsrechte im Vertrag vorzunehmen.
Hierbei stellt insbesondere das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht klar, dass auch bei einer im Vertrag ausdrücklich vorgenommenen Differenzierung von Kündigungs- und Rücktrittsrechten beide Regelungen zusammen betrachtet (ausgelegt) werden müssen, da beide Regelungen zu einem Ausschluss der Beendigungsmöglichkeiten führen sollten. Beide Gerichte begründen ihr Ergebnis auch mit wirtschaftlichen Folgen für den Betreiber. Bei einem freien Kündigungsrecht, außerhalb der vertraglichen Rücktrittsrechte), würde sich der Betreiber einem hohen Kostenrisiko bis zur Inbetriebnahme aussetzen, da er die Planungs- und Vorbereitungskosten trägt und ohne den Nutzungsvertrag auch kein Genehmigungsverfahren wirksam einleiten kann. Zudem wäre bei einer freien Kündigung das vertraglich oftmals sehr detaillierte Rücktrittsrecht, gestaffelt nach Eintrittsereignissen und Zeiträumen (mit Abwendungsmöglichkeiten des Betreibers), hinfällig.
AGB-Kontrolle: Ist ein Kündigungsausschluss wirksam?
Die von den Betreibern gestellten Nutzungsverträge für eine Vielzahl von Fällen vorgesehen und verwendet werden, handelt es sich dabei um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) i.S.d. §§ 305 ff. BGB. Somit sind die Regelungen auch stets dahingehend zu prüfen, ob sie den anderen Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen (§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB) oder aus anderen Gründen (z. B. Klauselverbote der §§ 308, 309 BGB) unwirksam sind.
Der Bundesgerichtshof stellt klar, dass ein Ausschluss eines Kündigungs- oder Rücktrittsrechts von fünf Jahren angemessen ist, auch wenn der Eigentümer erst mit dem Baubeginn ein Entgelt erhalten soll. Als wesentliche Argumente führt der BGH die beiderseitigen Interessen und die wirtschaftlichen Folgen an. Der Eigentümer kann sein Grundstück bis zur Inanspruchnahme des Betreibers durch den Baubeginn grundsätzlich uneingeschränkt nutzen, d. h. selbst bewirtschaften oder verpachten und hat somit faktisch keinen (wirtschaftlichen) Nachteil. Im Gegensatz dazu sind die Genehmigungsverfahren, auch mit möglichen Einwendungen Dritter, zeitlich langwierig und mit einem erhöhten Kosten- und Risikoaufwand für die Betreiber verbunden.
Wie lange darf das Ausschlusszeitraum sein?
In der Folge sind – wie der neuen Entscheidung des BGH ausdrücklich zu entnehmen ist – auch Ausschlusszeiträume von mehr als fünf Jahren denkbar. Das gilt insbesondere dann, wenn etwa Widerspruchs- oder Klageverfahren gegen die Genehmigung laufen oder der Betreiber selbst aktiv ein Widerspruchs- oder Klageverfahren betreibt.
Da Verwaltungsverfahren bekanntermaßen äußerst zeitaufwändig sind, bleibt jedoch eine zentrale Frage offen: Welchen Zeitraum darf ein Widerspruchs- und Klageverfahren maximal umfassen? Aus Sicht des Eigentümers darf die unsichere Zeit nicht „endlos“ sein und sollte nach Auffassung des Autors bei einer Überschreitung von mehr als 30 Monaten (150 % der Ausschlussfrist) nur mit einer Entgeltleistung des Betreibers wirksam vereinbart werden können.
Sie haben einen Nutzungsvertrag im Entwurf erhalten oder bereits einen Vertrag vor mehreren Jahren abgeschlossen und möchte eine rechtliche Einschätzung. Gern berate ich Sie bei der Vertragsgestaltung oder prüfe den bestehenden Vertrag auf Rücktritts- oder Kündigungsrechte.